Ein „Hoch“ auf den Winterbacher Musikverein
Was für ein Abend – was für ein Verein! Schon die reinen Zahlen zur jährlichen Winterunterhaltung des Musikvereins Trachtenkapelle Winterbach lassen aufhorchen: Über 70 Musikerinnen und Musiker in der aktiven Kapelle, nochmal genauso viele Helferinnen und Helfer in der Küche und drumherum, 35 Kinder und Jugendliche in der Jugendkapelle, dazu 23 Blockflötenkinder an diesem Abend auf und vor der Bühne.
Über 600 Gäste konnten am vergangenen Samstag in der ausverkauften, stimmungsvoll dekorierten Salierhalle erleben, wie sich der Winterbacher Musikverein von seiner besten Seite zeigte. Als pünktlich um 19.30 Uhr die über 70 Musikerinnen und Musiker der Trachtenkapelle Winterbach die Bühne betraten, fühlte sich wohl mancher Zuschauer an die guten alten Zeiten mit „Wetten, dass…?“ erinnert: Wetten, dass (nicht) alle 73 Musizierenden mit ihren Instrumenten, einschließlich Schlagzeug, Kesselpauken und Konzertharfe auf die Bühne passen? Aber sie passten! Und ganz im olympischen Geist von „Wetten, dass…?“ eröffneten sie das Konzert dann auch mit viel Schwung und offensichtlicher Spielfreude unter Leitung ihres Dirigenten Robert Roth mit der Fanfare „The Olympic Spirit“. Erstmals begrüßte anschließend Robin Unrath als neuer erster Vorsitzender des Vereins die Gäste, bevor es musikalisch weiterging mit dem Stück „Dramatic Tales – Die Sage vom Todten Moos“, von Markus Götz zum 750-jährigen Gemeindejubiläum der Gemeinde Todtmoos komponiert. Die Kapelle nahm das Publikum mit auf eine Reise ins mystische, unheimliche Moor beim mittelalterlichen Todtmoos. Konzertante Blasmusik mit einer Fuge à la J. S. Bach und Passagen im Stil eines Rocktitels unter einen Hut zu bringen, scheint auf den ersten Blick kaum möglich. Genau das ist dem Komponisten aber hervorragend gelungen und wurde von der Trachtenkapelle mit Präzision und viel Gefühl auf der Bühne vorgetragen. Ein besonderer Ohrenschmaus mit Gänsehautmomenten.
Der musikalisch sehr anspruchsvolle Höhepunkt des Konzertes folgte im Anschluss: „Star Wars“, komponiert vom Meister der Filmmusik John Williams, arrangiert vom Meister der Blasorchesterarrangements Johan de Meij. Ein zeitlos tolles Stück für Blasorchester der Ober- bis Höchststufe, das vom Musikverein Trachtenkapelle differenziert interpretiert und von einem Konzertbesucher im Anschluss ganz treffend beurteilt wurde: „Gigantisch! Und wie im Original!“. Besonders hervorzuheben sind hier die jungen Solistinnen und Solisten Paulina Spielvogel (Querflöte) und Julian Portner (Horn), die ihre Aufgabe bravourös meisterten. Carmen Grübelbauer spielte zudem ein wunderbar weiches Saxophonsolo und Susanne Scherhaufer tauschte extra für dieses Stück ihre Klarinette gegen die Konzertharfe ein und verlieh der Musik damit im wahrsten Wortsinn eine ganz besondere Note.
Mit ganz viel guter Laune und offensichtlich großer Freude an der Musik, aber auch mit großer Ernsthaftigkeit und Konzentration gab im Mittelteil des Konzerts die Jugendkapelle unter der Leitung von Sonja Nachtrieb einen Einblick in ihr Können. Die einzelnen Titel wurden von den jungen Musikerinnen und Musikern abwechselnd mit kurzen, lustigen Moderationen angekündigt, die beim Publikum für viel Fröhlichkeit und Gelächter sorgten. Nach dem Eröffnungstitel „Kaboom“ und dem anspruchsvollen, souverän gemeisterten „Weather Report“ durften bei „Rain Dance“ die Blockflötenkinder des Vereins mit auf die Bühne. Auch die jüngsten erfüllten ihre Aufgabe mit Bravour! Nach den Ehrungen für erfolgreich bestandene D1- und D2-Lehrgänge folgte „Bloody Mary“, bevor die Kids dann mit „Hardrock Hallelujah“ so richtig die Bühne rockten. Vom Publikum wurde anschließend selbstverständlich lautstark eine Zugabe eingefordert und mit „Call me maybe“ verabschiedete sich die Gruppe von der Bühne.
Den dritten Konzertteil eröffnete Robert Roth mit seinen Musizierenden der Trachtenkapelle mit dem Marsch „The March from 1941“ aus dem Spielbergfilm „1941 – Wo bitte geht´s nach Hollywood?“ Der Film floppte 1979, die Filmmusik von John Williams dagegen nicht. Und sie ist heute aktueller denn je, denn es steckt viel bittere Ironie in dieser Musik. Die traditionelle Militär-Marschmusik wird während des Stücks immer wieder durch bewusst störende Klänge aus dem tiefen Blech beinahe aus dem Tritt gebracht oder musikalisch verspottet. Nicht leicht zu hören und doch absolut hörenswert.
Die anschließenden Ehrungen für besonders lange aktive Tätigkeit in einem Blasmusikverein nahmen der erste Vorsitzende des Vereins Robin Unrath gemeinsam mit dem zweiten Vorsitzenden Christian Engelhardt und der Vorsitzenden des Blasmusikverbands Petra Häffner vor. Für 10 Jahre aktive Tätigkeit wurden Katharina Blazek und Smilla Kennert geehrt. 20 Jahre beim Verein ist Walter Mika, der beim Konzert nicht mitspielen konnte, von den Musikerinnen und Musikern aber mit stehendem Applaus auf der Bühne begrüßt wurde. Ebenso großen Applaus gab es für Kerstin Ammersinn (30 Jahre) sowie Jürg Mändle (40 Jahre aktive Tätigkeit). Bereits ein halbes Jahrhundert, 50 Jahre aktiv im Musikverein Trachtenkapelle Winterbach sind der langjährige Notenwart des Vereins Frank Rupp und Jürgen Spielvogel. Sie bekamen für diese besondere Leistung von Petra Häffner den Ehrenbrief des Blasmusikverbands überreicht und zudem die Ehrennadel in Gold mit Diamant ans Revers gesteckt. Eine weitere Ehrung, die es längst nicht alle Tage gibt, folgte zum Abschluss: Dirigent Robert Roth erhielt vom Blasmusikverband die Dirigentennadel in Gold mit Diamant und den Ehrenbrief für seine 30-jährige Tätigkeit als Dirigent in verschiedenen Vereinen und Kapellen.
Musikalisch ging es anschließend unterhaltsam-beschwingt weiter mit den Klängen von „Miss Marples Theme“. Und spätestens beim gekonnt vorgetragenen E-Gitarren-Solo von Jürgen Vogl beim Rockmedley „Hey Tonight“ kam so richtig Bewegung in die Halle. Ein erster Vorgeschmack aufs 13. Winterbacher Zeltspektakel der befreundeten Kulturinitiative Rock e.V. im Juli, auf das in der Moderation mit einem kleinen Insidertipp auf John Fogerty (Gründer und musikalischer Kopf der Rockband Creedence Clearwater Revival) verwiesen wurde.
Der Schlussmarsch „Abel Tasman“ begeisterte abschließend nicht nur die Freunde der traditionellen Blasmusik und so folgten gleich zwei Zugaben mit allen Musikerinnen und Musikern des Abends. Wer zu Beginn des Konzertes schon an „Wetten, dass…?“ hatte denken müssen, wurde jetzt ein weiters Mal überrascht. Denn zwischen die aktiven Musikerinnen und Musiker der Trachtenkapelle stellten sie nun noch die Kinder und Jugendlichen der Jugendkapelle sowie einige Musikschülerinnen und -schüler, um gemeinsam die Zugaben „Hoch“ und den Louis de Funès-Erkennungsmarsch „Le Gendarm de Saint Tropez“ zum Besten zu geben. Über 100 Musikerinnen und Musiker auf der Bühne! An diesem besonderen Abend konnte man in Winterbach den Eindruck gewinnen, dass es hier einen ganz besonderen Verein gibt, der immer nochmal eins draufsetzt. Ganz im Sinne des Zugabestücks bleibt da nur zu sagen: Ein „Hoch“ auf diesen Verein.